Nach der dunklen Zeit des Nationalsozialismus, des teuflischen Gedankengutes der Rassentheorie und der Eugenetik (war nicht nur in Deutschland verbreitet) und den über 60 Mio. Toten weltweit wurden 1948 von den Vereinten Nationen die Allgemeinen Menschenrechte formuliert. Dies war keine geistige Leistung eines Einzelnen oder einer Gruppe von Menschen, sondern es war etwas, was in die Welt kam, weil sie dafür reif war.

Bahnbrechend neu und entgegengesetzt der Denkweise aus dem Nationalsozialismus war, dass jeder Mensch, egal welcher Hautfarbe, Rasse oder Herkunft die gleichen Rechte hat, ein Anrecht darauf hat, zu Leben, unversehrt zu bleiben und auch in Freiheit zu leben. Ich will hier nicht auf alle einzelnen 30 Artikel eingehen. Viele Länder haben die Grundlagen in ihrer Verfassung aufgenommen.

Überfluß und Wohlstand bei schlechter Verteilung

Inzwischen leben wir in einer ganz anderen Zeit. Die Industrialisierung hat uns Waren im Überfluß gebracht. In den meisten Ländern herrscht keine unmittelbare Not mehr. Die Summe der in der Welt produzierten Nahrungsmittel reicht aus, um die gesamte Bevölkerung mehr als satt zu bekommen. Der Grund, weshalb Menschen immer noch Not leiden müssen ist, dass es andere Menschen gibt, die viel zu viel für sich beanspruchen, weshalb für andere nicht mehr genügend zur Verfügung bleibt. Das ist die Grundlage der Welt, in der wir leben: Es ist genug für alle da, aber wir haben ein Verteilungsproblem!

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Auf dieser Grundlage sollten wir die Allgemeinen Menschenrechte nun um einen Punkt erweitern: Jeder Mensch hat das Recht auf eine menschenwürdige Wohnmöglichkeit und das Recht auf eine menschliche Versorgung. Das ist letztlich nur die Konzequenz aus dem obersten, ersten Artikle der Menschenrechte – in die Tat umgesetzt, damit es nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.

Die Menschheit entwickelt sich weiter. Und so wie wir heute nicht mehr in Höhlen leben und die Benutzung des Rads selbstverständlich geworden ist, sollten wir uns weiterentwickeln und erkennen, dass alles, was wir durch unsere Arbeit und Innovation herstellen, allen Menschen zusteht. Nur so entsteht eine menschliche und soziale Welt. Es ist genug für alle da, wir können uns diese Weiterentwicklung – genaugenommen ist es ja die längst fällige Umsetzung – der Allgemeinen Menschenrechte leisten! Es ist eine Pflicht. Es ist auch soviel da, dass der eine etwas mehr und der andere etwas weniger bekommem kann, wenn einer mehr Bedürfnisse haben sollte. Hauptsache, jeder hat genug für ein menschenwürdiges Dasein.

In früheren Zeiten der Stammeszugehörigkeit war es noch selbstverständlich, dass alle Menschen des Stammes dazu beigetragen haben, dass der Stamm gut über den Winter kam. Und die Lebensmittel des Stammes wurden unter allen geteilt. Nur so konnten die Gemeinschaften überleben. Dabei spielte es keine Rolle, was und wieviel der Einzelne zu dem Wohlergehen der Gemeinschaft beitrug. Jeder leistete seinen Fähigkeiten entsprechend das, was er zu leisten in der Lage war. Durch Industrialisierung und Kapitalismus sind die Menschen einander entfremdet und vereinzelt worden und diese Selbstverständlichkeiten sind verloren gegangen. Durch das Auseinanderrücken sehen wir die Not des anderen nicht mehr, sie ist aber noch da. In der Globalisierung sind wir alle miteinander verbunden und voneinander abhängig, auch wenn wir dies nicht unmittelbar sehen können. Und durch den Kapitalismus entstand die Illusion, dass menschliche Arbeitskraft verkäuflich sei und der Preis der Arbeit von der Leistung abhängen würde.

Arbeits – „Recht“ ist Sklavenrecht

Unser heutiges ‚Arbeitsrecht‘ stammt unmittelbar von dem früheren Sklavenrecht ab, das habe ich schon in der Berufsschule gelernt. Dieser Zusammenhang ist vielen nicht bekannt und noch weniger bewußt. Und so ist dieses Arbeitsrecht heutzutage das Maß der Dinge, obwohl wir das Sklaventum schon länger glauben, überwunden zu haben. Und wenn man heute von Arbeit spricht, meint man automatisch bezahlte, abhängige Lohntätigkeit. Völlig unberücksichtigt bleiben die vielen wichtigen Tätigkeiten, für die es keine Bezahlung gibt, ganz zur Schande der Menschheit.

Die Höhe der Bezahlung richtet sich nach … ja nach was eigentlich? Es wird behauptet, nach Länge der Ausbildung, nach dem Maß der Verantwortung, nach Angebot und Nachfrage, manchmal sogar nach persönlicher Leistung. Tatsächlich sind die Gehälter schon seit Jahrzehnten festgeschrieben und werden immer nur prozentual erhöht. Dies bedeutet, dass die Schere zwischen unteren und oberen Gehältern immer weiter auseinanderklafft, das ergibt sich automatisch aus der prozentualen Erhöhung.

Ausgenommen davon sind verschiedene Managergehälter, welche inzwischen ins Unermeßliche gestiegen sind, weil diese Personengruppen sich gegenseitig die Gehälter selber bewilligen. Leistung kann dort nicht der Maßstab sein, bekommen sie doch ihre „Boni“ auch bei vollständigem Versagen.

Da Lohnkosten heutzutage zu den Produktionskosten gezählt werden, sind Unternehmer ständig bemüht, diese niedrig zu halten, um die Gewinne steigern zu können. Dieses System wird einfach immer weiter fortgeschrieben. Und weil es schon so lange gilt, können wir uns gar nicht mehr denken, wie es eigentlich sein sollte. Sollten nicht alle am Produktionsprozeß beteiligten Menschen auch an dem Erfolg beteiligt werden? Ohne diese gäbe es keine Produkte. Auch der letzte Schrauber am Band ist mit dafür verantwortlich, dass ein erfolgreiches Produkt hergestellt werden kann. Ohne diesen wird kein Produkt entstehen. Folglich sind Lohnkosten gar keine Kosten, sondern Gewinnanteile! Und wieder können wir erkennen, dass wir ein Verteilungsproblem haben (siehe oben), ein Gewinnverteilungsproblem.

Intelligenz wird böse

Schlaue Menschen versuchen uns auf höchsten intellektuellem Niveau zu erklären, dass das alles so sein muß. Auch in anthroposophischen Kreisen versucht man uns weis zu machen, dass beispielsweise das Bedingungslose Grundeinkommen der falsche Weg wäre, um aus der derzeitigen Situation herauszukommen. Es wird uns lange und möglichst kompliziert erklärt, so daß niemand diese Erklärungen auf Plausibilität überprüft und nur noch hängenbleibt: Grundeinkommen ist umstritten.

Aber wir leben nicht mehr in einer Zeit der großen Propheten und Vordenker. Keiner wird uns sagen, wo es lang geht. Und wir müssen sehr aufpassen, welchen Propheten wir folgen. Wir sind alle aufgerufen, selber zu denken, wir leben in einer Zeit der Selberdenker. Das ist oft mühsam, aber keiner kann uns das abnehmen. Schon Rudolf Steiner sagte: „Glaubt mir nichts, überprüft es selber!“ Wir müssen selber unseren gesunden Menschenverstand nutzen. Alle. Das geht natürlich nicht, indem man nur irgendwelche oberflächliche Meinungen oder Glaubenssätze übernimmt und verbreitet. Es wird notwendig sein, sich selbst weiter zu entwickeln und zu echten Erkenntnissen zu gelangen.

Neid hat keine Zukunft

Nachdem wir mehrere Jahrhunderte in der Illusion gelebt haben, dass man Arbeit bezahlen kann, ist eine Umkehr von diesen tief in unserem Bewußtsein verankerten Glaubenssätze schwer und kann nur ganz bewußt vollzogen werden. So ist es für uns auch kaum aushaltbar, dass alle Menschen ein Anrecht auf ein menschenwürdiges Auskommen haben, auch der Nachbar, den man so gar nicht leiden kann oder der „faule“ Kollege in der Firma. Alle haben ein Anrecht darauf, nicht aufgrund ihrer Leistungen, sondern einfach deshalb, weil sie Menschen sind. Daran sollten wir uns gewöhnen. Natürlich hat jeder auch die Pflicht, seine Fähigkeiten in die Gemeinschaft einzubringen. Aber wer hat das Recht zu beurteilen, welches diese Fähigkeiten sind, wenn nicht ein jeder selbst? Oder ob er sich ausreichend anstrengt? Wer will beurteilen, was die einzelne Leistung ‚wert‘ ist?

So wie heute für uns selbstverständlich ist, dass die Allgemeinen Menschenrechte für alle gelten, sollte jetzt auch selbstverständlich werden, dass alle Menschen ein Anrecht auf ein menschenwürdiges Dasein mit der dazugehörigen Versorgung haben. Diese Konzequenz aus dem ersten Artikel der Menschenrechte „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ sind wir schon allzu lang schuldig geblieben. Es ist genug für alle da, wir können und müssen es und leisten!

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