Wachgerüttelt durch verschiedene Medienmeldungen, nach denen jetzt Insekten in Lebensmitteln von der EU zugelassen wurden, machen sich nun viele Menschen auf die Suche nach insektenfreier und vielleicht auch sogar gesunder Nahrung. Auf dieser Suche erfahren wir erst einmal einen Schock nach dem anderen. Wir erfahren nicht nur, dass Insekten schon seit vielen Jahren in unseren Lebensmitteln mehr oder weniger heimlich verarbeitet werden, sondern auch, was sonst noch so alles an ekelerregenden und auch krank machenden Zutaten mit ‚reingemogelt‘ wird. Wie konnte es so weit kommen?
In der ursprünglichen bäuerlichen Selbstversorgung haben die meisten Menschen ihre Nahrungsmittel selber angebaut und natürlich auch zubereitet. Das war natürlich eine gesunde Nahrung, sie wurde ja für die eigene Familie hergestellt. Die Zubereitung war zeitaufwendig, oft waren mehrere Personen eines Haushaltes damit beschäftigt. Das Wissen darüber wurde von Generation zu Generation weitergegeben.
Der schleichende Verfall der Menschheitskultur
Dann kam die Industriealisierung. Die Menschen verließen die Dörfer und zogen in die Städte. Mit der Industriealisierung kam auch die industriell hergestellte Nahrung zuerst in Form von Konserven. Anfangs hatten die Menschen teilweise zumindest in den kleineren Städten noch einen kleinen Garten und hielten sich auch Nutztiere. Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg und das Wirtschaftswunder veränderte die Lebensbedingungen der Menschen grundlegend. Und die Industrie erdachte immer neue Produkte, die uns das Leben erleichtern sollten. So verdrängten Fertiggerichte mehr und mehr die eigene Zubereitung. Parallel wurden die Familien immer kleiner, sodass nicht mehr für viele Personen gekocht werden mußte. Auch arbeiten inzwischen in der Familie beide Partner, sodaß kaum noch Zeit für die Essenszubereitung bleibt. Der Anteil der Einpersonenhaushalte hat massiv zugenommen und beträgt inzwischen schon fast die Hälfte aller Haushalte. In diesen Einpersonenhaushalten scheint sich die eigene Essenszubereitung noch weniger zu lohnen, deshalb wird vermehrt auf Fertigprodukte zugegriffen.
Anfangs bestanden die industriell erzeugten Nahrungsprodukte aus Konserven. Hier wurden der Nahrung lediglich Stoffe zur Haltbarmachung beigefügt. Inzwischen gibt es so ziemlich alles ‚essbare‘ als Industrieprodukt zu kaufen. Die Zutatenlisten sind lang und enthalten längst nicht mehr nur Mittel zur Haltbarmachung neben dem eigentlichen Lebensmittel. Durch die industrielle Fertigung verlieren die Lebensmittel ihren Geschmack, weshalb Geschmacksverstärker hinzugesetzt werden. Auch das Aussehen ist oft unappetitlich, weshalb jede Menge Farbstoffe und andere ‚Zaubermittel‘ zugefügt werden. Inzwischen finden wir auch Beigaben auf der Inhaltsliste, deren Sinn wir nicht nachvollziehen können.
Ess-Kultur endgültig vernichtet
Nachdem die Menschen jetzt schon seit Jahrzehnten das Kochen verlernt haben und viele sich nur noch von Fertigprodukten ernähren, wurde jetzt die nächste Entwicklungsstufe eingeläutet: Nahrung aus der Flasche. Hier wird die Nahrungsaufnahme reduziert auf den rein technischen Vorgang des Wiederauffüllens von Nährstoffen und Vitaminen. Die Wissenschaft sagt uns, was der Körper alles braucht, und wir führen diese meist künstlich hergestellen Inhalte zu. Das ist wie ein Auto zu betanken und Oel nachzufüllen.
Werbeaussage: „yfood liefert deinem Körper essenzielle Nährstoffe wie Proteine, Ballaststoffe, pflanzliche Öle sowie 26 Vitamine und Mineralstoffe. Kurz: eine praktische, gesunde Mahlzeit. Vor allem, wenn Zeit wieder mal knapp ist. Als Drink, Pulver oder Riegel. Schmeckt, spart Zeit und macht satt.“
Diese oder ähnliche Produkte werden derzeit massiv beworben. Hier wird suggeriert, dass eine solche Ernährung alles enthält, was man braucht und dass es auch noch gesund ist. Zielgruppe sind Menschen, die nicht einmal mehr Zeit haben, ein Fertiggericht in der Mikrowelle warm zu machen. Und wieder ist die Entwicklung so wie bei den vorherigen Entwicklungen: Die Industrie entwickelt ein Produkt mit dem Ziel, Gewinne damit zu erwirtschaften und macht es uns mit großem Werbeeinsatz schmackhaft. Aus Bequemlichkeit wird es dann auch gekauft.
Die nächste Eskalationsstufe ist in Vorbereitung: Die Werbung suggeriert uns schon seit Jahren, wie nahrhaft und proteinreich Insekten sind, versuchen, es uns schmackhaft zu machen. Aber wir brauchen keine zusätzlichen Proteine, wir haben auch keine Nahrungsmittelknappheit. Viele Menschen sind übergewichtig, manche sogar fettleibig. Es werden Unmengen an Nahrungsmitteln weggeworfen. Also wozu mehr Proteine?
Der Mensch als Motor, der betankt werden soll
Ich will nicht auf die Ernährungswissenschaftlichen Details eingehen, dafür gibt es genügend Experten. Auch nicht auf die gesundheitlichen Folgen, die wir überall sehen können, wie etwa die massive Zunahme von Allergien, Vitaminmangelerscheinungen und Autoimmunerkrankungen . Die boomenden Nahrungsergänzungsmittel zeigen hier ja auch auf, dass etwas komplett falsch läuft. Was mich erschreckt ist die Erkenntnis, dass wir inzwischen die Nahrungsaufnahme als rein technischen Vorgang reduziert betrachten: Was fehlt, wird nachgefüllt. Der Mensch wird zu einer Maschine gemacht, wo man lediglich Betriebsstoffe nachfüllen muß. So weit hat uns der Materialismus schon gebracht!
Gemeinsame Mahlzeiten haben soziale und verbindende Wirkung
Völlig vergessen werden die vielfältigen anderen Funktionen und Wirkungen auf unseren Körper und unser Wohlempfinden. „Das Auge ißt mit!“ beispielsweise ist nur ein Aspekt davon. Was hat das Auge, wenn wir ein Pulver zu uns nehmen? Gemeinsame Mahlzeiten im Kreise unserer Lieben haben eine wichtige Sozialfunktion, die weit über die Nahrungsaufnahme hinaus geht: Der soziale Austausch zwischen Menschen, die sich nahe stehen ist wichtig für den Erhalt von sozialen Beziehungen. Die gegenseitige Wahrnehmung und der Gedankenaustausch ist doch das, was Beziehung ausmacht. Wenn wir das Zusammenleben auch noch reduzieren auf die technischen Vorgänge (Wer trägt den Müll runter? Wer geht einkaufen? Wer räumt die Spülmaschine aus?), brauchen wir uns nicht zu wundern, dass Beziehung nicht mehr klappt. Regelmäßige Mahlzeiten zu festen Zeiten ist der erste Ratschlag, den man bekommt, wenn der Körper aufgrund der Lebensweise nicht mehr funktioniert und krank wird. In den wenigsten Familien gibt es noch feste gemeinsame Mahlzeiten!
Industriell hergestellte Nahrungsmittel sind denaturiert und haben oft nicht mehr viele gesunde und natürliche Inhaltsstoffe, weshalb wir zunehmend ‚Nahrungsergänzungsmittel‘ brauchen. Längst ist bekannt, dass beispielsweise ein Salat, der auf einem richtigen Feld gewachsen ist, ganz anders schmeckt als der aus dem Supermarkt, der auf einer Substratlösung gezogen wurde. Hühnereier von wirklich freilaufenden Hühnern schmecken ebenfalls anders als die aus der Massentierhaltung. Fleisch vom Biobauern schmeckt nicht nur anders, sondern hat auch eine andere Konsistenz und weniger Wasser. Auch im Supermarkt angebotenes Obst und Gemüse wird mittlerweile mit allen möglichen Wundermitteln optisch aufgehübscht, damit sie schön aussehen und wir sie kaufen. Das hat mit nahrhaftem Obst und Gemüse vom Bauern nur noch das Aussehen gemeinsam.
Hole dir dein Leben zurück!
Wie konnte es so weit kommen? Warum haben wir zugelassen, dass wir nicht mehr wissen, wass essen bedeutet und wie gesunde Nahrung zubereitet wird? Wer sich heute traut, etwas zu backen, kauft eine Backmischung, weil viele nicht mehr wissen, wie das geht. Aber vielleicht brauchten wir diese Krise, damit endlich anfangen, uns über Ernährung Gedanken zu machen?
Wir müssen herausfinden, was wichtig ist für ein gesundes Leben. Das beginnt damit, wieder zu lernen, wie man Nahrung zu einer Mahlzeit zubereiten kann. Doch das ist noch nicht der springende Punkt. Wir müssen uns ein menschenwürdiges und menschengemäßes Leben zurückerobern. Das wird uns niemand schenken, wir müssen es selbst machen, uns selbst erkämpfen und ein paar moderne Wohlstands – Opfer bringen. Es ist kein menschenwürdiges Leben, auf eine so verachtende, ungesunde Weise sein nötiges Geld verdienen zu müssen, dass weder für die Familie und das Familienleben, noch für gesunde Mahlzeiten gemeinsam am Tisch Zeit übrig bleibt. Es ist ungesund, keinen natürlichen Rhythmus mehr zu haben, kein Familienleben mehr zu haben – all das sind Erkenntnisse aus der Salutogenese, in welcher geforscht wird, was es ist, was Menschen gesund erhält sogar unter sehr schweren Umständen oder in sehr schlimmen Zeiten.
Wenn wir wissen, was ein gesundes, sinnerfülltes Menschenleben ausmacht, können wir Schritt für Schritt in die richtige Richtung gehen. Wir hinterfragen unsere von außen eingeredeten Sachzwänge, bauen diese ab, erkennen, wo wir belogen und betrogen wurden und lassen uns nicht mehr manipulieren.
Dann können wir auch der Industrie über unser Kaufverhalten und vielleicht auch über Konsumverweigerung sagen, was wir haben wollen. Wir haben die Macht. Wenn die Industrie uns schon nicht fragt, was wir haben wollen, müssen wir eben mit unserem Kaufverhalten zeigen, was für uns wichtig ist. Wenn wir den Dreck nicht kaufen, den sie herstellen, werden sie sich ganz schnell neu orientieren (müssen). Und noch viel mehr können wir uns zusammenschließen und all die gesunden Produkte selbst herstellen, die uns die Industrie (noch) nicht liefert. Wir können Brot backen (geht gemeinsam noch viel besser), wir können unsere Nudeln selber machen und vieles mehr. Und wir können gesunde Nahrung direkt beim Erzeuger kaufen, wo wir sehen, wie er es herstellt.
Jetzt sagt ihr vielleicht, dass euch in eurem Alltag die Zeit dazu fehlt? Wir werden uns die Zeit nehmen müssen! Wenn uns ein gesundes Leben wichtig ist, werden wir die Zeit dafür finden. Weil wir leben wollen! Ein echtes, erfülltes sinnvolles Leben, in welchem Freiheit und Freude groß geschrieben werden.
Wir wollen wieder leben! Also sollten wir es endlich tun!
Krisen sind dazu da, das Notwendige zu tun, damit die Not sich wenden kann. Nun haben wir die letzten Jahre einiges an Krisen verkraften müssen, doch die Not wendet sich immer noch nicht, weil das Notwendige nicht getan wurde. Es wird wohl noch eine Krise nach der anderen und eine schlimmer als die andere nötig sein, bis Menschen erkennen wollen, wer sie sind. Und was gesund und glücklich macht. Und was sie wirklich von Herzen wünschen.
Warum nicht uns allen Not und Leid ersparen? Warum nicht endlich jetzt zur Besinnung kommen? Im Grunde wissen es die meisten, ahnen es längst, worum es wirklich geht. Nehmen wir doch dieses unsägliche Ungezieferthema zum Anlaß, als letzten Tropfen, der das Faß zum überlaufen bringt, endlich, und holen uns unser Mensch – sein zurück. Und tun es mit anderen zusammen.
Wir brauchen keine verlogene Tyrannenregierung.
Wir haben alles, was wir brauchen. Es ist genug für alle Menschen da. Reichen wir einander unsere Hände, lernen wir wieder rudimentäre menschliche Kulturtechniken wie etwa das Anbauen von Nahrung und das Kochen, das miteinander teilen und miteinander essen und feiern. Wenn nicht jetzt, wann dann? Das nennt man im übrigen: Freiheit!
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